18 Jahre
Oktober 4th 2008 by Ronnie in Beobachtungen, PersönlichesIch hoffe, Ihr hattet einen guten Start in das verlängerte Wochenende? Aber mal ganz ehrlich, wer von Euch hat den heute gestern mal an den Grund für den extra freien Tag gedacht? Ich hab’s ja nicht so mit Politik - habe mir trotzdem so meine Gedanken gemacht:
Jetzt nach nun mittlerweile 18 Jahren vereintes Deutschland kann eigentlich kaum über eine Vereinigung gesprochen werden. Der Westen Deutschlands hat ja kaum etwas aus den Osten übernommen. Ein paar Kleinigkeiten, die jeder aus den Medien kennt sind z.B. das Ampelmännchen oder der (so komplizierte ;-) ) Rechtsabbiegerpfeil. Was soziale Einrichtungen und Kinderbetreuung angeht, hätte der Westen durchaus schon vor Jahren was aus dem Osten übernehmen können. Der Ruf nach mehr Kindergärten wurde erst in den letzten Jahren immer lauter und sowas wie Polikliniken (medizinische Versorgungszentren) wird nun wieder aktueller denn je.
Vielmehr wurde eigentlich fast alles vom Westen auf den Osten übergestülpt - man könnte fast von einer Assimilation sprechen. Es änderte sich für die Menschen im Osten fast alles, während für die Bürger im Westen fast alles gleich blieb.
Wenn ich mir überlege, in welchen Zeitdimensionen das alles abläuft, bin ich mir fast sicher, dass die Vereinigung Deutschlands nochmal die gleiche Zeit benötigt, die sie bis zum heutigen Tag gebraucht hat um zu wachsen und sich zu etablieren. Auf der anderen Seite sind 18 Jahre eigentlich verdammt lange um zu reifen. Immerhin erhält ein Mensch in Deutschland nach 18 Jahren seine Volljährigkeit und ist damit laut BGB mündig und als erwachsener Mensch angesehen. Er erhält die gleichen Rechte und Pflichten wie seine älteren Mitbürger auch.
Doch für die Wiedervereinigung gelten da andere Zeitfenster. Da ist man mit 18 Jahren erst ein Heranwachsender und befindet sich allenfalls in der Pubertät. Somit gibt es eben noch feine Unterschiede in Arbeitszeit und Entlohnung. Somit verdient man im Osten in einer 40+ Stundenwoche bei Mindesturlaub (wenn überhaupt) 1200 Euro brutto, während man dafür im Westen schon ein viel(!)faches dafür bekommt.
Trifft man als "Wirtschaftsflüchtling" hier im Osten alte Bekannte, dann ist eine der ersten Fragen: "Hey, wie geht’s - hast Du noch Arbeit?" Aber auch die Frage wurde in den letzten 10 Jahren weniger. Nicht etwa, weil die Feunde und Bekannte wieder in das Glück kamen, zu arbeiten sondern weil immer weniger von ihnen hier anzutreffen sind. Schaut doch einfach mal nur, wieviel junge Leute aus dem Osten im Westen arbeiten. Hier gibt es Ecken, da Leben nur noch Rentner und Arbeitslose. Es fehlt an jungen Menschen und deren Kindern.
Ein Großteil meines Abijahrgangs ist nicht mehr hier und fast alle meiner ehemaligen Mitstudenten ist quer über den Westen der Republik verstreut.
Entwurzelung von der Heimat ist scheiße - nur eben kennt das Problem im Westen kaum jemand.
Doch das alles ist kein Wunder bei mehr als 20% Arbeitslosigkeit. Trotzdem gehört eine Menge Flexibilität und Bereitschaft dazu. Ich glaube, viele meiner Kollegen in Bayern können sich kaum eine Vorstellung machen, wie wichtig und notwendig ein funktionierender Arbeitsmarkt für eine Region und das tägliche Leben ist.
Viel machen kann man da als normaler Bürger aber nicht. Ich versuche auf Arbeit und in meiner Freizeit das Thema bei meinen Kollegen und Bekannten im Westen zu meiden. Es fehlt schlicht und ergreifend das Verständnis (auf beiden Seiten). Mental ist deshalb die Wiedervereinigung noch nicht vollendet bzw. gescheitert.
Versteht mich nicht falsch. Ich bin durchaus zufrieden, dennoch bin ich der Meinung, dass die Vereinigung wirtschaftlich, politisch ein kompletter Anschluss an die alten Bundesländer war. Daher auch der Ausdruck "Neue Bundesländer".
Insgesamt kann man eigentlich zufrieden sein, was die Leistung als ganzes angeht. So gesehen ist und war die Leistung des deutschen Volkes ein Präzedenzfall. Hinterher kann man immer behaupten, was man alles besser gemacht hätte. In wahrscheinlich nochmal 10 Jahren, weiß man dann endlich, wie man alles hätte besser lösen können. Und vieles hätte schlechter laufen können.
Tja und nun ist alles so, wie es ist und wir machen weiterhin das Beste daraus.
Am Sonntag treffen sich dann alle wieder auf der Autobahn, wenn es gemeinsam wieder mit Temo 180 "rüber" geht.
Doch hier im Netz und auf den meisten Seiten, die ich so gerne lese ist es völlig Wurst und nebensächlich, wer woher kommt. Das ist doch auch mal schön.
Wie sind eigentlich Eure Erfahrungen diesbezüglich?
Im Osten verdient man 1.200 Euro und im Westen für die gleiche Arbeit ein Vielfaches??? Klar, dafür kostet z.B. die Miete im Osten auch nur ein Bruch(!)teil dessen was man im Westen bezahlt. Für eine vergleichbare Wohnung würde ich z.B. in Berlin nur rund die Hälfte an Miete bezahlen. Also am besten in Berlin wohnen und im Ruhrpott arbeiten. Falls jetzt jemand meint das wäre ja arg dämlich deswegen jedes Wochenende hin und her zu pendeln, das Arbeitsamt Dresden hatte eine Stelle ausgeschrieben für einen Kraftfahrer in Bottrop. Verdienst ca. 1.600 Euro brutto, Heimkehr alle 14 Tage möglich. Tolle Wurst, schließlich ist die Arbeitslosigkeit z.B. in Gelsenkirchen (rund 30km von Bottrop entfernt) vergleichbar hoch wie in Dresden. Nur kann man im Ruhrgebiet eher schlecht als recht von 1.600 Euro brutto leben. Mit Familie schon mal gar nicht. ———– Im Westen sind die Ossis erst einmal Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt. Nicht nur das sie um die Arbeitsplätze konkurrieren, sie drücken auch noch die Löhne in den Keller. Wer vorher 1.200 brutto verdient hat, freut sich erst einmal wenn er dann 1.200 netto hat. Dumm nur, wenn das arg wenig Geld zum leben ist. Wie soll man also ein Land wiedervereinigen in dem die Bürger in erster Linie um die Lebensgrundlage konkurrieren? Wie soll ich ruhig bleiben wenn immer davon geredet wird das im Osten die Arbeitslosigkeit doch so hoch sei, es aber keine 10km von mir entfernt nicht wesentlich besser aussieht? Wie soll man Verständnis für Solidaritätszuschläge aufbringen wenn der Osten mittlerweile an allen Ecken und Enden aus den Ruinen auferstanden ist, im Westen viele Gemeinden aber nicht einmal das Geld übrig haben um das allernötigste zu reparieren und zusehends verfallen?
Das die Mieten so gering sind, kann ich nicht bestätigen. Erst gestern haben wir Freunde in Halle an der Saale besucht und durften feststellen, dass die Miete auf ähnlichen Niveau lag. In Ingolstadt z.B. hätten wir für so ein Wohnung vielleicht 50 bis 100 Euro mehr gezahlt. Natürlich hast Du recht, wenn Du sagst, dass die Ossis Konkurrenz auf den Arbeitsmarkt sind. Nur was bleibt den Menschen denn übrig. Und genau diese Grundlage macht die Vereinigung so schwer. Sie findet eben nicht mental statt. Und wie ich schon erwähnte, fehlt auf beiden Seiten das Verständnis für den anderen.
Ach ja.. geht Deine Seite eigentlich nicht mehr, Ralf? Ich krieg immer nur ein “Forbidden”. Oder sperrst Du jetzt Ossis aus ?
Also meine Seite geht schon noch. Hat aber nichts mit Ossis zu tun, eher mit Däläkömm. Hab da noch so ein Spamverhinderungsprogramm im Hintergrund laufen welches ab und zu auch nette Besucher ausschließt. Muss ich wohl mal überarbeiten.—– Das Thema Ost-West kann man schwer in einen Kommentar abhandeln. Man muss ein wenig schwarz-weiß malen um dazu etwas sagen zu können. Klar gibt es im Osten auch teure Wohnungen, genauso wie es im Westen billige gibt. Aber was sollen denn die Wessis machen wenn die Ossis hier die Stellen wegschnappen? In den Osten gehen? Auf noch mehr Lohn verzichten? das Problem besteht übrigens nicht nur zwischen ost und West, sondern auch zwischen Nord und Süd. In Bayern könnte ich z.B. auch wesentlich mehr verdienen, müsste aber auch damit rechnen wesentlich höhere Ausgaben zu haben. —– Was mich arg stört, ist das die Ossis immer als die großen Verlierer dargestellt werden. Oder besser gesagt, sich selbst so darstellen. Nach der Wiedervereinigung wurden im Ruhrgebiet ebenso massiv Stellen abgebaut (Zechenschließung, Ende der Stahlindustrie, Stellenabbau bei Opel, Strukturwandel, usw.). Hat denn in den letzten 18 Jahren auch nur einer mal ansatzweise die Situation im Ruhrgebiet mit der im Osten verglichen? Nein! Ich höre immer nur von hoher Arbeitslosigkeit im Osten, von strukturschwachen Regionen die gefördert werden müssen, vopm Aufbau Ost, von blühenden Landschaften “drüben”. Und das während hier bei mir vor der Haustür ganze Stadteile verfallen, die Arbeitslosigkeit zeitweise höher war als im Osten und die Menschen nicht mehr wussten von was sie morgen leben sollen. Und dann standen auch noch ganz viel Ossis vor der Tür die für die Hälfte gearbeitet haben weil sie dachten dies hier wäre der “goldene Westen”. Wiedervereinigung kann so nicht praktiziert werden. Weder in den Köpfen noch anderswo.
Das mit den Mieten gilt auch nur für wenige Gebiete im Osten: Berlin zb oder aber auch Leipzig. Wenn man sich in Rostock und Schwerin umschaut, zahlt man fast das Gleiche wie im Westen. Ich finde die Aussage “Im Westen sind die Ossis erst einmal Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt.” ziemlich perfide. Klar jeder Mensch der um den gleichen Job auf dem Arbeitsmarkt buhlt ist ein Konkurrent, aber das an der Herkunft festzumachen finde ich ziemlich daneben. Ich bin noch nie auf die Idee gekommen, dass ich ‘Ossi’ jemandem hier in Hamburg den Job wegnehme?!
Ich mag diese Bezeichnungen Ossi und Wessi auch nicht besonders. Was mich aus heutiger Sicht ärgert, ist, dass ich mich an den Mauerfall und die Wiedervereinigung garnicht erinnern kann, obwohl ich schon 6 Jahre alt war. Meiner Meinung nach ist das einer der wichtigsten Tage der deutschen Geschichte und wird viel zu wenig zelebriert. Dafür müsste vor allem aber erst einmal das Gefühl der Wiedervereinigung tiefer verwurzelt werden, das geht nur über die Verbesserung der Verhältnisse im Osten und im Westen eine intensivere Lehre darüber was mit der Wiedervereinigung eigentlich passiert ist, was das den Menschen zu der Zeit bedeutet hat. Das gerät schnell in Vergessenheit, genauso wie schnell es in Vergessenheit geriet was für eine Parteiendiktatur es in der DDR gab. Heutzutage wird nur noch nostalgisch an dämliche Ostprdodukte gedacht und Fernsehshows daraus gemacht. Dass die DDR ein Terrorstaat war der seine Bürger unterdrückte, wo sieht man das schon im Fernsehen. Ja, auf den Öffentlichrechtlichen oder Dritten Programmen, die die Leute garnicht kucken, die es am Nötigsten hätte. Es wird derselbe Fehler gemacht wie schon nach dem Zweiten Weltkrieg. Man vergisst sich in den positiven DIngen und den Gedanken daran, dass nicht wirklich alles schlecht war. Das mag ja auch so sein, aber man sollte im Gegenzug viel deutlichen verinnerlichen und zeigen, was die Kehrseite der Medaille war und dass es den Menschen heute WIRKLICH besser geht. Wer kein gefühl für die Freiheiten hat die wir heute besitzen, der wählt auch Parteien die diese Freiheiten abschaffen wollen. Wenn solche Kräfte sich aber erst einmal durchsetzen ist es meistens schon zu spät. Politikverdrossenheit ist nicht nur von den Politikern an sich abhängig, sondern auch von den Bürgern. Wer kein Interesse mehr zeigt am Weltgeschehen und politischen Leben und welche Werte eine Demokratie überhaupt vermittelt, der fällt in einen Strudel aus dem er nicht mehr herauskommt.
Jule, meine Aussage ist erst einmal rein subjektiv. So wie ich es beschrieben habe, haben es sehr viele Menschen hier empfunden und empfinden es immer noch. Wenn z.B. sehr viele Fachkräfte aus dem Osten kommen und hier nur Hilfsarbeiter verfügbar sind, dann kann man kaum davon sprechen das Ossis irgendwelche Arbeitsplätze streitig machen. Du kannst aber gerne Ossi durch Türke oder Jugo ersetzen. Erst einmal sind diese Menschen Konkurrenten. Sie wollen Arbeit haben, sie wollen eine Wohnung haben und sie wollen auch gerne ihre Kultur leben. Wie ich an deinen Kommentar sehe hat sich aber offenbar wirklich noch nie jemand ernsthaft mit der Situation im Ruhrgebiet auseinander gesetzt. Denn vor der Integration kommt das Fressen. Und da lässt sich mit Sicherheit nichts dran ändern.
In einem Gespräch mit meinem Bekannten kamen wir dann zu dem Schluß,: Vor 18 Jahren wurde Deutschland nicht vereint, vielmehr wurden den Bürgern aus den “Neuen Bundesländer” und deren damaliger Heimat die Souveränität entzogen und ein System … Und vielmehr ist nicht passiert … die Medien, die 4. Macht im Staat teilt immernoch anstatt ein “Wir”-Gefühl zu vermitteln. Im Westen sieht man die Menschen aus der ehemaligen DDR als Konkurrenten, die Löhne drücken obwohl die Menschen zur Arbeit reisen und dort erstmal ihre verkaufte Arbeitskraft entsprechend entlohnt bekommen. Anstatt immer die Wiedervereinigung bzw. ja vielmehr die “Ossis” für die wirtschaftlichen Entwicklungen verantwortlich zu machen, sollte hier und da mal über das Wirtschaftssystem nachgedacht werden, denn euer verhasstes Lohndumping entsteht nicht dadurch, dass jmd. aus einem anderen Ort mit gleichen Fähigkeiten kommt, sondern durch die unersättliche Gier nach Profit in der Führungsetage. Nein, mir gefiel die DDR damals wie sie war auch nicht besonders, aber eins war sie allemal, sozial.
Danke Christian, sehr schön auf den Punkt gebracht. Ich kann den Frust in einigen Teilen Westdeutschlands durchaus nachvollziehen, wobei der eher daher rührt, dass Ossis dort den Status von Ausländern haben - wie Ralf das schon sagte. Alleine diese Gleichstellung mit “Türke oder Jugo” sagt eigentlich alles über die vielzitierte “Mauer in den Köpfen” aus. Schlimmer sind nur noch diejenigen, die zur Wende noch nicht mal Haare am Sack hatten, aber allen Leuten erzählen, wie Scheiße die DDR doch war. So leid es mir tut, dass wir BesserOssis hier den JammerWessis die Arbeitsplätze wegnehmen - aber wir versuchen auch nur, das Beste aus der Situation zu machen. Seid lieber froh, dass die Ossis zu dumm (oder zu sozial) sind, um alle Möglichkeiten dieses ach so tollen und gerechten Systems auszunutzen (wie das z.B. viele Mitbürger mit südöstlichem Migrationshintergrund bemerkenswert gut drauf haben) - sonst würde hier wirklich alles den Bach runter gehen - und zwar deutlich schneller als jetzt schon…
Ich hatte zur Zeit der Wende noch keine Haare im Genitalbereich, da ich genauso jung wie Schnaps war. Vielleicht habe ich deshalb keine Mauer im Kopf, aber leider stoße ich immer wieder an Mauern in Köpfen anderer Bürger. Ich erinnere mich nur wie froh meine Familie darüber war endlich “frei” zu sein. Darum kann ich mich nur Schnaps anschließen: es fehlt richtige politische Dokumentation im Fernsehen. Ich rede mit meinen Komillitonen, die aus ganz Deutschland nach Halle gezogen sind, gar nicht über DEN Osten oder DEN Westen. Nach der Frage “Wo kommst du her?” kommt die Frage “Und wie findste Halle?” schon endetet die Konversation über verschiedene Geburtsorte es wird das alkoholische Getränk gehoben und auf eine bestandene Prüfung angestoßen. Ich denke wenn Deutschland aus der Pupertät kommt und der weiche Flaum zu richtigen Haaren am Sack wird, wird es überall wie im (Von Ronnie beschriebenem) Netz sein : Ist es völlig Wurst und nebensächlich, wer woher kommt. Ich hab euch alle lieb
In der Firma in der ich arbeite wurden bereits 1990 2 Niederlassungen in Sachsen und in Thüringen eröffnet. Ich bewundere meine Kollegen, wie schnell sie sich auf die neue Situation eingestellt haben und was sie für einen tollen Job geleistet haben und natürlich heute noch leisten. Viele Kollegen hab ich im Laufe der Jahre wirklich lieb genommen, und wir hatten und haben eine Menge Spaß, auch wenn meist nur am Telefon. Mach Westdeutscher Mitbürger der die Klappe aufreisst hätte sich mit einer derartigen Umstellung mit Sicherheit schwer getan oder wäre daran zerbrochen. Manch einer sollte einfach mal darüber nachdenken, dass es auch umgekehrt hätte passieren können und er selbst hinter Mauern hätte leben müssen. Sicher wird es noch lange dauern bis alles zusammen wächst was zusammen gehört, aber ich hoffe, dass ich das noch erlebe. Wenn sich jeder an die eigene Nase fasst, und hilft Vorurteile abzubauen und positiv vorzuleben, mag es vielleicht etwas schneller gehen..
Ich finde es sehr eigenartig, dass die Generation, die von der DDR eigentlich gar nichts mehr mitbekommen hat, jetzt der Meinung ist, dass dieses System ganz schlimm, unmenschlich und unerträglich war. Scheinbar wird wohl doch die richtige Propaganda in den Medien gemacht. Ich denke deshalb auch, dass es viel zu viel “politische Dokumentation” zu diesem Thema im Fernsehen gibt. ^^
Abgesehen davon, dass ICH mich in der DDR sehr wohl gefühlt habe, verstehe ich nicht, inwieweit es irgendwem hilft, alles ostdeutsche schlecht zu reden. Aber wenn es der demokratischen Mehrheit bei der Bewältigung der Geschichte hilft, dann bitteschön…
Zum Glück gibt es hüben wie drüben auch Ausnahmen und ich bin froh, dass ich z.B. den Onkel Crosa kennenlernen durfte, der mich a priori ohne erkennbares Vorurteil als Mitbürger und Mensch akzeptiert und respektiert hat. So wie ich ihn auch. Ich wünschte, dass diese Konstellation die Regel wäre.
In diesem Sinne:
“Lass uns Dir zum Guten dienen
Deutschland, einig Vaterland”
(Johannes R. Becher, DDR-Nationalhymne)
Ossis sind doof. So. Denn dem Ronnie sein Blog kann weder Zeilenumbrüche in den Kommentaren noch nimmt es Trackbacks an ;) —– Offensichtlich muss man in jeder Diskussion mittlerweile ein paar Regeln zur Konversation aufstellen, ansonsten wird nur aneinander vorbei geredet. Ossis sind für mich diejenigen die in der DDR gelebt haben, Wessis diejenigen die nicht dort gelebt haben. Die Bezeichnungen Ossi und Wessi verlieren mit der Zeit immer mehr an ihrer ursprünglichen Bedeutung. Wenn ich heute jemanden aus Ostdeutschland kennen lerne, dann bezeichne ich ihn mit aller Wahrscheinlichkeit nicht als Ossi. Und ich sehe mich auch nicht als Wessi. Ausgenommen es geht um die Wende, zu der Zeit war ich nun einmal Wessi. —– Ich habe mal in meinem Blog etwas ausführlicher beschrieben wie die Wende hier ankam und ich sie empfunden habe. Mit Sicherheit werden etliche Ossis die Hände über den Kopf zusammen schlagen und kopfschüttelnd mein Blog verlassen. Aber ich kann auch nichts dafür das ich es so erlebt habe bzw. erleben musste. Wie sah noch einmal die letzte Fahne der DDR aus? Wanderschuhe und Reisekoffer im Eichenkranz auf SchwarzRotGold? Eben genau so haben viele im (tiefen) Westen die Wende erlebt. Da fällt eine Mauer und alle die es vorher nicht geschafft hatten rüber zu klettern kamen nun in Strömen angerannt. Leider wollten die wesentlich mehr als nur Bananen. —– @Crosa. “Manch Westdeutscher Mitbürger der die Klappe aufreisst hätte sich mit einer derartigen Umstellung mit Sicherheit schwer getan oder wäre daran zerbrochen.” Stell dir mal vor du arbeitest 30 Jahre unter Tage und plötzlich sagt man dir das du bis zur Rente nur noch Rasen mähen und Bäume pflanzen darfst. Stell dir mal vor du hast 35 Jahre Schicht am Hochofen geschoben und plötzlich sollst du den ganzen Tag im Büro sitzen und Anträge abstempeln. Stell dir mal vor du hättest 25 Jahre bei Opel am Band gestanden und plötzlich sagt man dir das du morgen nicht mehr zu kommen brauchst. Auch andere Deutsche haben hammerharte Umbrüche in ihrem Leben hinnehmen müssen. Mussten sich nicht nur beruflich, sondern auch lokal verändern. Standen plötzlich vor der Situation das die Politiker, die sie über Jahrzehnte hinweg unterstützt hatten, fallen gelassen haben wie eine heiße Kartoffel. —– Nur weil im Osten ne Mauer umgekippt ist, ist im Westen nicht das Leben plötzlich zum Stillstand gekommen. Auch hier war nicht alles lustig und toll. Nur haben wir keinen Feiertag dafür bekommen.
Der Blog vom Ronnie ist nicht doof, sondern authentisch.
Wir hatten ja damals nichts…
nicht mal Zeilenumbrüche
;-)
Ich finde es übrigens sehr schade, dass im Ruhrgebiet offenbar der Tag der Deutschen Einheit kein Feiertag ist. Das liegt wahrscheinlich daran, dass er nur für Ossis gilt und zu wenige davon dorthin gegangen sind, wo man wirklich arbeiten muss…
@Ralph Ich unterstelle ja gar nicht, dass es in Westdeutschland nicht noch schwierigere Umstellungen gab, aber prozentual gesehen wohl eher weniger, als im Osten. Jedem Westbürger stand es zumindest frei zu reisen wohin er wollte, und politisch zu sagen was er dachte…
Crosa, du meinst mit prozentual das sich im Osten mehr Umstände geändert haben als im Westen? Dann war der Osten also mit der Umstellung überfordert? Zuviel des “Guten” soll ja manchmal schädlich sein. Trotzdem sehe ich im Osten keinerlei Bestrebungen die Zukunft zu gestalten. Weder damals noch heute. Ronnie schreibt ja “Was soziale Einrichtungen und Kinderbetreuung angeht, hätte der Westen durchaus schon vor Jahren was aus dem Osten übernehmen können.”. Warum gleich übernehmen? Warum hat der Osten nicht erstmal versucht sie zu erhalten? Hat der Westen den Osten tatsächlich so überfallen das die Menschen dort wehrlos alles erdulden mussten? Oder haben die Menschen dort einfach tatenlos zugesehen? Fragen die man 18 Jahre danach mal stellen kann, deren Antworten aber wohl kaum jemand passt. —– Auf der anderen Seite frage ich mich ob die Ossis sich wirklich mal mit der Geschichte Westdeutschlands beschäftigt haben. Das Stasi-Regime wurde in den letzten 18 Jahren von vorne bis hinten aufgearbeitet bis hin zu einer eigenen Bundesbehörde. ich gehe mal davon aus das mehr Wessis besser über die Verhältnisse im Osten bescheid wissen als umgekehrt. Anders kann ich es mir auch nicht erklären das Ronnie davon ausgeht das im Westen fast niemand das Gefühl kennt “Entwurzelt2 zu sein. Gerade das Ruhrgebiet ist eine typische Einwanderer-Region. Das fängt mit den Ausländern an die als Gastarbeiter kamen und mittlerweile in dritter Generation hier leben, geht über Heimatvertriebene die nach den zweiten Weltkrieg hier ankamen bis hin zu einer heute immer stärker werdenden Migrationswelle weg vom Ruhrgebiet. Bei solchen Aussagen frage ich mich ernsthaft ob die Wiedervereinigung in den letzten 18 Jahren tatsächlich nur aus ostdeutscher Sicht betrachtet wurde. Und vor allem, ob die Ossis tatsächlich so egoistisch sind anzunehmen nur sie müssten umziehen um einen Job zu bekommen, nur sie hätten gravierende Veränderungen mitmachen müssen und nur sie hätten unter der herrschenden Politik geleidet. Der Westen war nie so frei und golden wie ihn sich die Ossis (anscheinend bis heute) vorgestellt haben. Und wenn es um das Reisen geht, ihr hattet den ganzen rechten Teil dieser Erdkugel, den wir nie betreten durften. Dahin reisen wohin wir wollten, konnten wir also auch nicht.
Im Vergleich zum Osten war der Westen sehr wohl Frei. Oder hast du eine Mauer gesehen ? Wurden Menschen verhaftet weil sie eine andere Politische Meinung hatten ? Natürlich gibt es in Ostdeutschland einen nicht gerade kleinen Anteil von Leuten die nur Jammern, und sich die Mauer zurückwünschen, weil es ihnen dort besser ging, so krotesk das klingen mag. Nur wenn WIR die Mauer im Kopf einreissen kann da was zusammen wachsen. Und da geht es nicht darum, wem es jetzt schlechter erging, sonder es geht darum, dass wir ein Volk sind, und so sollten wir uns auch verhalten….
Sind wir doch einmal ehrlich: Selbst der Osten ist mittlerweile (zumindest wirtschaftlich) geteilt. Da gibt es zwei Bundesländer (sorry: Freistaaten) denen es besser geht, als dem Rest des Ostens. Wenn ich sehe, dass z.B. die Arbeitslosenquote in Thüringen nur noch rund 3% über dem Bundesdurchschnitt liegt, dann stelle ich den Solibeitrag für bestimmte Regionen im Osten auch in Frage. Klar, über die Löhne die gezahlt werden, lässt sich jetzt wieder streiten. Aber auch das wird sich ändern. >>> Natürlich gibt es in Ostdeutschland einen nicht gerade kleinen Anteil von Leuten die nur Jammern… Die gibt es überall. Auch anderswo wird gejammert. Ich bin viel in Italien. Glaubt Ihr etwa, dort ist das anders? Nein, im Gegenteil: Da ist es viel radikaler (siehe Lega Nord). Was glaubt Ihr, wie im Norden des Landes über den Süden gejammert wird. Also hört auf, dass als rein deutsches Problem zu sehen (auch wen es hier um Deutschland geht)… Zum Schluß noch ein “Wort zum Montag”: Ein Holländer sagte einmal zu mir: “Ich verstehe Euch Deutsche nicht. Ihr müßtet eigentlich das glücklichste Volk auf diesem Planeten sein. Aber was macht Ihr daraus…?”
Ich bin jetzt mal faul (Klischee erfüllt :-) ) und gehe nicht auf alle Kommentare ein. Dennoch danke ich Euch allen für Eure Meinung zu diesem schwierigen Thema und hoffe, dass ihr im Alltag weitgehendst problemfrei damit umgehen könnt.
btw: Was sind eigentlich diese komischen Zeilenumbrüche von denen hier immer gesprochen wird ?